17. März 2013

Annäherungen

Was tut man in der Zeit nach einer Krise?
Wenn man grade realisiert hat, dass es ja doch noch weiter geht.
Jeder Tag ist ein Kampf.
Man ist noch ein Häufchen Elend, man lernt wieder zu sehen ohne Tränenschleier, man lernt wieder zu sprechen, ganz leise noch und vorsichtig.
Während der Krise war alles Logische außer Kraft gesetzt und es gab nur noch Panik. Man fühlte sich von Menschen verletzt und man hat Menschen verletzt. Wie soll man danach wieder auf sie zugehen?
Wir haben damit große Probleme. Alles widerspricht sich. Einige schämen sich und trauen sich nicht, wieder Kontakt aufzunehmen; andere sind noch immer Misstrauisch und trauen den Menschen nicht mehr. So oder so, man zieht sich zurück. Dabei wissen wir eigentlich, dass man immer reden sollte, gerade mit Freunden, um Dinge zu klären. Aber es ist so schwer. Wir fangen bei einer Person an, langsam, versuchen ein normales Gespräch zu führen. Aufkommendes Misstrauen zu ignorieren, weil der Verstand sagt, es gibt keinen Grund. Uns langsam wieder anzunähern.
Andere Freunde fühlen sich benachteiligt. Aber alle auf einmal geht nicht, das ist zuviel. Einer nach dem Anderen.
Es geht langsam, aber es geht weiter.

16. März 2013

[Mio] Innenwelten

Schon vor ein paar Jahren hab ich das erste Mal von Innenwelten von anderen Multis gelesen. Ganze Häuser im Innen und noch mehr, Nachbarschaften, Landschaften mit Wäldern, Flüssen, ganze Welten. Für mich war das damals völlig absurd. Wie sollte sowas denn gehen? Unvorstellbar.
Bei uns im Innen gab es - naja nichts.
Die einzelnen Personen waren entweder draußen oder - nicht da. Naja schon irgendwie, irgendwo da. Aber nicht greifbar. Wo war ich, wenn ich nicht draußen war? Ich weiß es nicht. Es war wie in einem schwarzen Nebel. Nicht schlimm, eher angenehm, aber eben auch nicht besonders schön. Ich konnte mit anderen im Innen nicht direkt in Kontakt kommen. Ich konnte sie hören, ja. Manchmal auch sehen, aber nicht wie jemanden, der einem gegenübersteht, sondern eher wie ein Bild oder eine Projektion. Sie waren irgendwo - vermutlich auch im Nebel. Nur eines der Kinder hatte schon damals einen "sicheren Ort", ein Zelt mit einer Deckenhöhle drin. Sie sagte, das hat sie sich selbst so ausgesucht.
Irgendwann entstand der Raum hinter der Scheibe. Die Scheibe ist die Verbindung nach außen, durch sie sieht man durch die Augen des Körpers und durch sie kommt man auch nach draußen. In diesem Raum hielt sich auf, wer das äußere Geschehen mitbekommen und mit der Person, die gerade den Körper kontrolliert, komunizieren wollte. So gab es einen Raum, in dem man auch direkt mit anderen in Kontakt kommen konnte, aber wer nicht im Raum war, war immer noch - nirgends. Im Schwebezustand im inneren schwarzen Universum.
Der Grund einen Schritt weiter zu gehen, kam durch mich.
Ich möchte und kann nicht in meinem (realen) Zimmer zu schlafen. Ich fühle mich nicht wohl, nicht sicher.
Ich habe detailgetreue Erinnerungen an Orte, an denen ich mich wohlgefühlt habe und ich kann mich dort hinversetzen. Es sind verschiedene Orte, Zimmer von alten Freunden, von Menschen, die mir Sicherheit gegeben haben.
Ich sehe, rieche und fühle diesen Ort dann genauso, wie ich ihn in Erinnerung habe. Dort schlafe ich.
Ich leihe mir diese Orte quasi aus, um dort ein paar Stunden zu bleiben. Ein seltsames Gefühl ist es trotzdem, und oft auch mit Traurigkeit verbunden, weil es schließlich Gründe gibt, warum wir einige dieser Orte und die zugehörigen Menschen in echt nie wieder sehen und selbst bei denen, wo wir manchmal wirklich sind, bleibt das Vermissen.
Ich habe das unserem Therapeuten erzählt und er frage warum ich dann nicht gleich an einen "eigenen" Ort gehe, an dem ich mich wohnfühle. Der nicht negativ besetzt ist, nichtmal ein bisschen, weil ich alles so machen kann, wie ich will.
Ja, warum eigentlich nicht? Weil ich nicht wusste, wie. Weil es immernoch absurd war. Aber ist es absurder, an einen selbst erschaffenen Ort zu gehen, als an einen aus der Erinnerung, der einem vielleicht wehtut?
Ich freundete mich mit dem Gedanken an, aber ich fand es unfair. Wieso sollte ich die einzige in der Ohana sein, die einen eigenen Raum hat? Räume für alle zu erschaffen wäre zwar möglich, aber es würde sehr lange dauern und wäre sehr anstrengend.
Wir entdeckten, dass hinter und unter dem Raum hinter der Scheibe viel Platz war. Ob der vorher schon da war, und es nur keiner wusste, oder ob er erst durch unsere Überlegungen entstand, das weiß ich nicht. Er war aber da und er wurde ein großer Raum, ein Raum für alle.
Es gibt einen Bereich, wo man in Kontakt treten und sich austauschen kann und es gibt einen ruhigen Bereich, wo man entspannen und schlafen kann, auch die mittlerweile zwei (Sicherer-Ort-)Zelte von den Kindern stehen dort. Wer nicht im Außen oder hinter der Scheibe ist, kann sich jetzt dort aufhalten. Wer dort nicht sein oder nicht schlafen will, kann weiter im schwarzen Nebel sein. Aber die meisten sind gerne dort es ist ein guter Ort, ein sicherer Ort.
Manchmal gehe ich immernoch an alte Orte aus Erinnerungen, wenn mir danach ist. Aber ich muss es jetzt nicht mehr, ich kann auch bei meiner Familie schlafen. Und das ist ein sehr gutes Gefühl.

Wie ein kleines Wunder

Jedesmal, wenn eine Krise vorbeigeht, ist es wie ein kleines Wunder.
Dieser winzige Schritt, von der kalten Welt zurück in die richtige, den von außen niemand sieht.
Ja, von außen ist alles gleich, aber von hier aus ist alles anders.
Nicht weil die Probleme verschwinden - das tun sie nicht, sie sind immer noch da und die Angst ist noch da - was verschwindet ist das Gefühl, zu sterben. Die Todesangst.
Der schwarze Schleier, der über allem und über jedem lag. Der alles gelähmt hat. Jeden Atemzug zu einer Anstrengung gemacht. Jedes vernünftige Denken im Keim erstickt. Jede Hoffnung abgetötet.
Es ist, als würde man neu geboren werden. Auf einmal liegt wieder ein ganzes Leben vor einem. Man kann seine Beine wieder bewegen und es ist als müsste man neu laufen lernen. Neu denken lernen. Von vorne anfangen. Ganz vorsichtg.
Das ist nicht - auf einmal ist alles wieder gut.
Das ist -  ein kleines bisschen Hoffnung, das so viel wert ist.

15. März 2013

In Krisenzeiten...

...sieht der Tagesablauf so aus:

- so lange wie möglich schlafen
- aufwachen und wenn möglich wieder einschlafen
- versuchen, ein paar wache Stunden zu überleben, wenn möglich unbeschadet
- am frühen Nachmittag Medis nehmen und so früh wie möglich wieder schlafen

Nichts essen, nicht aufstehen, nicht bewegen, möglichst wenig denken.

Den einen Gedanken in den Vordergrund stellen:
Es wird wieder besser. 
Das wird es. Immer. Aber das Wissen ist wie ausgelöscht.

Diesesmal ist es überstanden.
Aber es wird wiederkommen.
Und die Angst überschattet alles.

14. März 2013

Wer wir sind

Einen Anfang zu finden, ist immer schwierig. Gerade wenn man nicht weiß, wie man anderen Menschen ein Thema nahebringen soll, dass ihnen vielleicht völlig fremd ist.

Wir sind ein multiples System,
Ein Mensch, mit verschiedenen Persönlichkeiten,
oder viele Menschen, die sich einen Körper teilen.
Und versuchen, damit zu leben. Wir führen ein mehr oder weniger normales Leben, manchmal funktioniert es gut, manchmal ist es verdammt schwierig.
Wir sind momentan zu 13., ob das so bleibt, kann ich nicht sagen.
Jeder hat eigene Interessen und Vorlieben, jeder reagiert auf die Umwelt anders und geht anders mit Situationen um. Jeder hat seine eigenen Gefühle und Gedanken und oft widersprechen sie sich mit denen der Anderen. Einige haben selbst große Probleme wie Persönlichkeitsstörungen und Traumata, andere sprühen vor Lebensfreude.
Der Alltag wird zum Balanceakt. Jeder Tag kann zum Kampf werden. Kleinigkeiten werden zu Hindernissen und Probleme sind vorprogrammiert.
Trotzdem versuchen wir, das Beste aus unserem gemeinsamen Leben zu machen und alle Krisen zu meistern.

Dieser Blog soll ein Ort sein, wo sich jeder von uns äußern kann. Ein Ort für Gedanken und Gefühle des Einzelnen, für die im Alltag vielleicht kein Platz ist. Ein Ort, an dem man ehrlich sein kann, ohne sich erst mit den anderen abzusprechen.
Wir hoffen auch, dass wir vielleicht Leute erreichen, denen die Thematik fremd ist, und ihnen einen kleinen Einblick in die Welt eines multiplen Menschen geben können.

 Noch ist hier alles im Aufbau, aber das wird nach und nach gemacht.
 Die Seiten der einzelnen Leute (rechts), werden diese, wenn sie wollen, selbst mit der Zeit bearbeiten.