Schon vor ein paar Jahren hab ich das erste Mal von Innenwelten von anderen Multis gelesen. Ganze Häuser im Innen und noch mehr, Nachbarschaften, Landschaften mit Wäldern, Flüssen, ganze Welten. Für mich war das damals völlig absurd. Wie sollte sowas denn gehen? Unvorstellbar.
Bei uns im Innen gab es - naja nichts.
Die einzelnen Personen waren entweder draußen oder - nicht da. Naja schon irgendwie, irgendwo da. Aber nicht greifbar. Wo war ich, wenn ich nicht draußen war? Ich weiß es nicht. Es war wie in einem schwarzen Nebel. Nicht schlimm, eher angenehm, aber eben auch nicht besonders schön. Ich konnte mit anderen im Innen nicht direkt in Kontakt kommen. Ich konnte sie hören, ja. Manchmal auch sehen, aber nicht wie jemanden, der einem gegenübersteht, sondern eher wie ein Bild oder eine Projektion. Sie waren irgendwo - vermutlich auch im Nebel. Nur eines der Kinder hatte schon damals einen "sicheren Ort", ein Zelt mit einer Deckenhöhle drin. Sie sagte, das hat sie sich selbst so ausgesucht.
Irgendwann entstand der Raum hinter der Scheibe. Die Scheibe ist die Verbindung nach außen, durch sie sieht man durch die Augen des Körpers und durch sie kommt man auch nach draußen. In diesem Raum hielt sich auf, wer das äußere Geschehen mitbekommen und mit der Person, die gerade den Körper kontrolliert, komunizieren wollte. So gab es einen Raum, in dem man auch direkt mit anderen in Kontakt kommen konnte, aber wer nicht im Raum war, war immer noch - nirgends. Im Schwebezustand im inneren schwarzen Universum.
Der Grund einen Schritt weiter zu gehen, kam durch mich.
Ich möchte und kann nicht in meinem (realen) Zimmer zu schlafen. Ich fühle mich nicht wohl, nicht sicher.
Ich habe detailgetreue Erinnerungen an Orte, an denen ich mich wohlgefühlt habe und ich kann mich dort hinversetzen. Es sind verschiedene Orte, Zimmer von alten Freunden, von Menschen, die mir Sicherheit gegeben haben.
Ich sehe, rieche und fühle diesen Ort dann genauso, wie ich ihn in Erinnerung habe. Dort schlafe ich.
Ich leihe mir diese Orte quasi aus, um dort ein paar Stunden zu bleiben. Ein seltsames Gefühl ist es trotzdem, und oft auch mit Traurigkeit verbunden, weil es schließlich Gründe gibt, warum wir einige dieser Orte und die zugehörigen Menschen in echt nie wieder sehen und selbst bei denen, wo wir manchmal wirklich sind, bleibt das Vermissen.
Ich habe das unserem Therapeuten erzählt und er frage warum ich dann nicht gleich an einen "eigenen" Ort gehe, an dem ich mich wohnfühle. Der nicht negativ besetzt ist, nichtmal ein bisschen, weil ich alles so machen kann, wie ich will.
Ja, warum eigentlich nicht? Weil ich nicht wusste, wie. Weil es immernoch absurd war. Aber ist es absurder, an einen selbst erschaffenen Ort zu gehen, als an einen aus der Erinnerung, der einem vielleicht wehtut?
Ich freundete mich mit dem Gedanken an, aber ich fand es unfair. Wieso sollte ich die einzige in der Ohana sein, die einen eigenen Raum hat? Räume für alle zu erschaffen wäre zwar möglich, aber es würde sehr lange dauern und wäre sehr anstrengend.
Wir entdeckten, dass hinter und unter dem Raum hinter der Scheibe viel Platz war. Ob der vorher schon da war, und es nur keiner wusste, oder ob er erst durch unsere Überlegungen entstand, das weiß ich nicht. Er war aber da und er wurde ein großer Raum, ein Raum für alle.
Es gibt einen Bereich, wo man in Kontakt treten und sich austauschen kann und es gibt einen ruhigen Bereich, wo man entspannen und schlafen kann, auch die mittlerweile zwei (Sicherer-Ort-)Zelte von den Kindern stehen dort. Wer nicht im Außen oder hinter der Scheibe ist, kann sich jetzt dort aufhalten. Wer dort nicht sein oder nicht schlafen will, kann weiter im schwarzen Nebel sein. Aber die meisten sind gerne dort es ist ein guter Ort, ein sicherer Ort.
Manchmal gehe ich immernoch an alte Orte aus Erinnerungen, wenn mir danach ist. Aber ich muss es jetzt nicht mehr, ich kann auch bei meiner Familie schlafen. Und das ist ein sehr gutes Gefühl.
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